Unterricht einzeln oder in der Gruppe?
Eigentlich ist die Frage, ob der Unterricht einzeln oder in der Gruppe stattfinden soll, ziemlich schnell, aber auch ziemlich unbefriedigend beantwortet. Die schnelle Antwort lautet:
Es kommt auf dich an!
Es steht also die Frage dahinter: Was bringt dir mehr?
Gruppengröße: Individualität vs. Sicherheit
Eine erste Näherung der Frage ob der Unterricht einzeln oder in der Gruppe stattfinden soll, möchte ich mit einer philosophisch angehauchten Frage erläutern. Was für eine Funktion haben eigentlich Gruppen?
Vorteile einer Gruppe
In der Regel fühlt sich der Mensch als soziales Wesen in einer Gruppe wohler, vor allem, wenn es blöd wird. Geteiltes Leid ist halbes Leid – kaum jemand kennt den Spruch nicht. Gerade wenn Du den Sprung in etwas Unbekanntes wagst, kann es helfen, wenn jemand dabei ist, den Du kennst und dem du vertraust. Wenn ich an meinen Wechsel aus der Realschule aufs Gymnasium denke (das war bei mir nach Klasse 6) war ich froh, dass in meiner neuen Klasse Leute waren, die ich noch aus der Grundschule kannte.
Nicht nur emotional hat eine Gruppe Einiges an Vorteilen zu bieten, auch profitiert das einzelne Gruppenmitglied von den Anderen. Bestenfalls ist ein Mitglied in der Lage einen anderen Mitglied einen Zusammenhang zu erklären. Davon profitieren Beide. Die Erklärende vertieft ihr Verständnis und die Zuhörende bekommt es von jemanden erklärt, der mit genau den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Bestenfalls tauschen die Rollen je nach Thema.
Um weiter aus dem Nähkästchen zu plaudern: Um zu prüfen, ob ich ein Thema wirklich verstanden hatte, habe ich folgenden Trick angewendet: Ich habe es jemanden erklärt und seine Rückfragen versucht zu beantworten. Wenn die Person es verstanden hatte, konnte ich mir sicher sein, dass ich es auch verstanden hatte. Die Rückfragen haben dann dafür gesorgt, dass ich mich noch weiter mit der Materie befasste.
Nachteile einer Gruppe
Wo Licht ist, fällt auch Schatten, denn je größer eine Gruppe wird, desto leichter kann ein:e Einzelne:r in der Gruppe untergehen. Leider sind es wieder die ruhigen und vielleicht auch ein wenig schüchternen Menschen, die in einer größeren Gruppe Probleme bekommen. Schlimmstenfalls wirft man resigniert das Handtuch.
Je mehr Teilnehmende in einer Gruppe sind, desto weniger kann auch individuell kann ich als Lehrer auf die Einzelnen eingehen, desto pauschaler wird der Unterricht. Machen wir uns nichts vor. Die Klassen sind überfüllt und die Lehrer:Innen entsprechend überfordert. Mal eine kleine Rechnung: Wenn eine Lehrkraft dem Einzelnen auch nur eine Minute seine volle Aufmerksamkeit schenkt, kommt der Unterricht zum Erliegen. Von 45 Minuten Schulstunde bleibt dann nicht mehr sehr viel übrig. Wenn jetzt die Nachzügler in einer zu großen Gruppe Nachhilfeunterricht nehmen, besteht die Gefahr, dass sie, wie schon vormittags in der Schule wieder ins Hintertreffen geraten. Hier sind zwar die Nachhilfelehrer:Innen gefordert, aber gänzlich vermeiden lässt sich das Problem in einer Gruppe nicht, besonders, wenn das Nachhilfeangebot pauschal als Gruppenunterricht ausgelegt ist.
Einen weiteren Nachteil darf ich hier nicht unerwähnt lassen, da er mir selbst schon passiert ist. Es ist wunderbar zu sehen, wenn sich die Teilnehmenden gegenseitig motivieren. Es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Die Gruppe bestärkt sich dann gegenseitig eben nicht die Aufgaben zu erledigen, oder am Ball zu bleiben. Begünstigt wird dies dadurch, wenn die Teilnehmenden ein unterschiedliches Leistungsniveau haben. Wenn der Fall eintritt, sollte der Gruppenunterricht zeitnah beendet werden.
Vorteile von Einzelunterricht
Nachdem ich in Punkto Individualität vs. Sicherheit den Gruppenunterricht auseinander genommen habe, ist es nur fair, wenn wir uns jetzt den Einzelunterricht zur Brust nehmen.
Als den größten Vorteil von Einzelunterricht ist seine Individualität. Ich kann hier den Unterricht ganz auf Dich schneidern und muss mir um etwaige Gruppendynamik keine Gedanken machen. Du stehst im Mittelpunkt und wenn gerade ein Thema stark drückt, können wir flexibel darauf umschwenken. Dir ist ein Termin dazwischen gekommen? Auch das ist kein Problem, wir suchen einfach einen Anderen. Gerade wenn die Lücken größer sind, ist Einzelunterricht das Mittel der Wahl, um schnell und zielgerichtet aufzuholen.
Nachteile von Einzelunterricht
Erinnerst Du dich noch, wie ich von den Unilerngruppen geschwärmt habe? Diese wechselseitigen Prozesse finden im Einzelunterricht nicht statt. Auch wenn ich eine:n Nachhilfeteilnehmer:In bitte, mir den Stoff mit eigenen Worten noch mal zu erklären, so kann die Erklärung nicht die Qualität erreichen, wie sie in einer Gruppe sein wird. Der Grund dafür ist recht banal.
Der oder die Schüler:In erklärt den Stoff jemanden, der das Ganze schon kennt. Im Gegensatz dazu muss in der Gruppe die Erklärung gut genug sein, dass sie jemand versteht, der das Thema noch nicht so gut verinnerlicht hat. Da läuft eine ganze Menge unbewusst ab. Und genau das ist es, worauf beim Einzelunterricht verzichtet wird.
Eine weitere Sache ist mir noch wichtig zu erwähnen. Im Einzelunterricht steht die oder der Nachhilfeschüler:In permanent im Fokus des Lehrers. Der oder die Lehrer:In wartet geduldig darauf, dass eine Aufgabe beendet zu Ende bearbeitet ist. Bei Erklärungen schaut er oder sie ständig zu dir. Auch schaut sie oder er ständig auf dein Blatt. Nie bist du aus seinem oder ihrem Fokus raus.
Sicherlich, das ist jetzt ein wenig überspitzt dargestellt, aber wenn Du der oder die Einzige in der Nachhilfestunde bist, kann das auch ziemlichen Druck erzeugen. Hier kann der entscheidende Vorteil von Einzelunterricht plötzlich sein größter Nachteil werden. Beruhigend kann ich allerdings auch berichten, dass das recht selten vorkommt und ein:e gute:r Lehrer:in das auf dem Schirm hat und nicht soweit kommen lässt.
Wenn Du es bis hierhin geschafft hast, kann ich versprechen, den schwierigen Teil hast Du hinter dir. Die Frage, ob der Unterricht einzeln oder in der Gruppe stattfinden soll, wurde bis jetzt rein subjektiv betrachtet. Im folgenden Teil wird es objektiver.
Preis: günstig vs. teurer
Da kommt die Frage nach den Kosten. Es liegt auf der Hand. Für Einzelunterricht wird eine Lehrkraft benötigt, für Gruppenunterricht wird eine Lehrkraft benötigt. Jedoch ist aufgrund von Gruppendynamiken der Unterricht für die Lehrkraft deutlich komplexer. Da ich auch Angebote für kleine Gruppen stricke, kann ich berichten, dass auch die Vorbereitung für Gruppenunterricht schlicht länger dauert.
Der Vorteil in einer Gruppe ist allerdings, dass diese Kosten auf mehrere Schultern verteilt werden, damit ist der Preis für den Unterricht in der Gruppe wesentlich günstiger. Oft ist dies (leider) schon ein ausschlaggebendes Argument, ob man sich für eine:n eher teurere:n Einzellehrer:In entscheidet, oder dem günstigen Angebot in einem großen Institut den Vortritt lässt.
Auch hier gibt es wieder ein ganz banales Problem. Was passiert, wenn einzelne Teilnehmende aus der Gruppe ausscheiden? Hier sollte sich die Lehrkraft zu Anfang der Nachhilfe mit den Teilnehmenden auch über dieses Thema unterhalten.
Terminfindung: Flexibilität vs. Starre
Kommen wir zum letzten Punkt dieser beliebig ergänzbaren Liste. Die Flexibilität in der Terminfindung. Um ein Buzzword der aktuellen Zeiten zu verwenden. Die Schwierigkeit einen Termin zu finden steigt (schneller als) exponentiell. Je mehr Leute versuchen sich auf einen Termin zu einigen, desto unwahrscheinlicher wird es, einen Termin zu finden.
Daher stehen die Termine für (größere) Gruppen fest. Dies kann auch ein Vorteil sein, da feste Termine auch eine gewisse Planungssicherheit mitbringen. Kann man jedoch zwischendurch an einem Termin wirklich nicht, hat man meist Pech gehabt, da ein Ausfall der gesamten Gruppe aufgrund eines Mitglieds nicht praktikabel ist.
Im Einzelunterricht hat man den wesentlichen Vorteil, dass es hier nur 2 Terminkalender gibt, die man zusammen legen muss. Den der oder des Lehrers:In und der oder des Teilnehmenden Wenn der Unterricht nicht stattfindet, kann man einen Ersatztermin flexibel ausmachen – keine große Sache. Bei 2 Teilnehmenden klappt das erfahrungsgemäß auch noch ganz gut.
Fazit
Das wichtigste Fazit: Finde dein eigenes Fazit! In meinem Studium komme ich in kleinen Gruppen am Besten klar, wenn ich nicht weiter gekommen bin. Das ist auch der Grund, warum ich sehr gerne kleine gewachsene Gruppen unterrichte.
Wenn Du also mit dem Gedanken spielst Nachhilfe zu nehmen, prüfe doch erst einmal, ob nicht noch jemand aus deiner (Parallel-) Klasse ebenfalls mit dem Gedanken spielt. Kann sich der oder die Nachhilfelehrer:In darauf einlassen, könnt ihr beide nicht nur vom Unterricht, sondern auch voneinander profitieren. Fühlst Du dich bei dem Gedanken aber unwohl, oder schätzt Du deine Lücken als sehr gravierend ein, ist vielleicht Einzelunterricht sinnvoller.
Auch sind Mischformen denkbar. So betreue ich in der Prüfungsvorbereitung meist mehrere Leute. Das Durchrechnen von Aufgaben geht wunderbar in der Gruppe. Größere Wissenslücken schließe ich dann im Einzelunterricht.